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Im Herbst 2021 haben wir ein sanierungsbedürftiges Haus gekauft. Das Haus war nicht in bestem Zustand, es musste kernsaniert werden und unser Budget war begrenzt. Doch gern ließen wir uns auf dieses Wagnis ein. Wir hatten uns vom ersten Augenblick an in das Haus und die sich bietenden Möglichkeiten verliebt.

Unser erklärtes Ziel war es, nachhaltig zu bauen. Wir verspürten eine gewisse Verantwortung. Ein Hausbau bzw. eine Haussanierung ist eine große Sache und man tut das nie für sich allein. Nicht zuletzt hinterlässt man es seinen Kindern.

Ich recherchierte viel zum Thema Bau und Nachhaltigkeit und bin über den Naturbaustoff Hanf gestolpert. Die Vorteile von Hanf als Baustoff sind so zahlreich, dass ich mich entschloss, nach Möglichkeit mit Hanf zu sanieren. Durchaus verwundert musste ich feststellen, dass dies leicht gesagt war. Aber durchaus ungeahnte Herausforderungen bereithielt.

praktische Probleme

Normalerweise habe ich nach einer umfänglichen Googlesuche ein mir zunächst fremdes Thema in seinen Grundzügen erfasst.

Hier war das anders. Selbst nach längerer Einarbeitung in das Thema blieben eine Menge Fragen offen: Hanf kann ohne Probleme als Dämmstoff verwendet werden. Ist Hanf aber auch als Außenfassaden-Dämmstoff geeignet und wie stark müsste die Schicht sein? Hanf ist nicht entflammbar. Hanffasern erreichen als Naturprodukt aber nur mit zusätzlichem Flammschutzmittel Brandschutzklasse B2? Hanfsteine sind nicht lastabtragend. Aber was bedeutet das praktisch?

Es blieb mir keine Wahl: ich brauchte Hilfe von Fachleuten. Allerdings musste ich ja immer ein Auge auf die Kosten bzw. unser verfügbares Budget haben. Das große Rad konnte ich also nicht drehen. Es gibt durchaus Experten. Aber nur vereinzelt im süddeutschen bzw. norddeutschen Raum. Hier in Mitteldeutschland habe ich niemanden gefunden. Wenn es um Fragen rund um dem Bau geht, ist es allerdings schwer verbindliche Ratschläge zu bekommen, ohne dass die Substanz in Augenschein genommen wurde. Also habe ich mir Ratschläge von Bekannten eingeholt. Diese waren unisono: bei Naturbaustoffen kannst du das doppelte an Kosten einplanen. Erstens sind sie teurer. Zweitens braucht man verhältnismäßig mehr davon.

Ich brauchte gar nicht lange herumrechnen. Mein Wunsch, mit Hanf zu sanieren, war nicht mehr verantwortbar und voller Unsicherheiten.

Wir werden ein KFW Effizienzhaus 55 EE haben

Wie gesagt: unser Budget. Es war ein Stufen-Sanierungs-Plan für die nächsten Jahre ausgearbeitet. Doch: wir mussten kernsanieren. Vom Bauablauf machte es Sinn, soviel wie möglich in der Rohbauphase zu machen. Wir suchten nach Möglichkeiten, unser begrenztes Budget zu erweitern.

Das Kfw-Förderprogramm BEG Wohngebäude-Zuschuss (461) war so eine Möglichkeit. Dieses macht Vorgaben hinsichtlich Energieffizienz, betrifft also maßgeblich die Gebäudehülle und die einzubauende Wärmequelle. Investitionskosten bis zu 150 tausend Euro werden mit einem 50% Zuschuss gefördert. Die Gebäudehülle sind die Fenster bzw. Türen, die Fassade und das Dach. Und diese müssen ambitionierte Vorgaben erfüllen. Die Erneuerung der Fenster war sowieso einkalkuliert genau wie die Dämmung der Fassade. Weiter musste das Dach gedämmt und eine Wärmepumpe installiert sein. Diese beiden Investitionen machten nicht nur Sinn, sondern waren im Prinzip durch die Förderung bezahlt.

Allerdings stellten wir damals schon fest, dass die Förderpolitik Effizienz zu einseitig hinsichtlich Energieeffizienz auslegt. Hätte man diesen Wert nämlich mit einem Naturbaustoff erreichen wollen, hätte die Dämmung unverhältnismäßig dick sein müssen. Im Fall von Hanf, so wurde mir auf Nachfrage mitgeteilt, 60cm. Im Vergleich zu 16cm Dämmung mit einem modernen Wärme-Dämm-Verbundsystem.

Die Arbeiten hierzu laufen gerade. Mit fortschreitender Zeit aber weicht die Freude über das energieeffiziente Haus zunehmend der Erkenntnis: Wir haben unser Haus in Plastik gepackt.

Das Haus ist zwar energieeffizient, aber auch luftdicht verpackt und kann nicht atmen. Es besteht die Gefahr der erhöhten Luftfeuchtigkeit, Luftschadstoffen, Schimmel und Feuchtigkeitsproblemen an den Innenwänden. Ein Lüftungskonzept muss dem entgegenwirken.

Nachhaltigkeit ist nicht nur Energieeffizienz

Ich möchte hier nicht missverstanden werden. Die Welt steuert auf eine Klimakatastrophe zu. Spätestens unsere Enkel werden sich dadurch massiv einschränken müssen. Insofern ist jeder Beitrag, der versucht, dies zu verhindern, es wert. Die Förderung hat uns ermöglicht, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Allerdings stellt sich die Frage: haben wir unser Ziel erreicht? Haben wir nachhaltig gebaut?

Zur Nachhaltigkeit gehört nicht nur die Energieeffizienz, sondern auch die Ressourceneffizienz. Beide müssen gemeinsam gedacht werden. Wieviel Ressourcen werden zur Herstellung eines Baustoffs verwendet? Wieviele Ressourcen hilft er, während seiner Nutzung einzusparen? Und wieviele Ressourcen beansprucht seine Entsorgung?

Und in Bezug auf die Bauwirtschaft muss in besonderem Maße auf den Ressourcenverbrauch geschaut werden. 2020 gingen Schätzungen der UN zufolge weltweit rund 40 Prozent der energiebezogenen CO2-Emissionen sowie mehr als die Hälfte des Ressourcenverbrauchs auf die Baubranche zurück. Diese setzt zu einseitig auf Energieeffizienz und chemische Erzeugung, auch aufgrund falscher staatlicher Anreize. Ressourceneffizienz spielt offensichtlich keine Rolle: Die meisten Baustoffe werden aufwendig industriell produziert und dann quer über die ganze Welt transportiert. Nur um irgendwann in der Zukunft ähnlich ressourcenverschwendend entsorgt zu werden.

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsste der Bausektor seine Emissionen in den kommenden zwei Jahrzehnten auf Null senken – eine Mammutaufgabe.

Hanf als wahre Wunderpflanze

Das Naturbaustoffe hierbei eine Rolle spielen müssen, steht eigentlich außer Frage. Zumal unter dem Aspekt, dass Naturbaustoffe alle Funktionen erfüllen können, die auch von chemischen Baustoffen erfüllt werden können. (Diese These ist durchaus gewagt, ich glaube sie aber schon einmal gelesen zu haben und finde jetzt auf die Schnelle lediglich keinen Beleg. Ich würde mich freuen, wenn meine Leserschaft mir diese übermitteln würde. Gern über die bekannten Social Media Accounts.)

Und an dieser Stelle sei auf einen interessanten Fakt hingewiesen: Die Hanfpflanze ist in ihrer Wachstumsphase sehr anspruchslos, muss nicht mit Pestiziden behandelt werden und braucht verhältnismäßig wenig Wasser. Ein Beispiel: Hanfpflanzen nutzen das Wasser für die Biomassebildung sechsmal effizienter als Baumwolle dies tun. Hanf verbraucht während seines Wachstums verhältnismäßig viel CO². Umgekehrt wird bei der Herstellung von Baustoffen nur wenig CO² verbraucht. So dass CO² gebunden wird und Hanfprodukte als CO²-negativ gelten.

Es geht also darum, auf die jeweiligen Vor- und Nachteile einzugehen und diese vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit zu bewerten. Die sich abzeichnende Klimakatastrophe macht es notwendig, in diesem Zusammenhang Energieeffizienz und Ressourceneffizienz im Zusammenspiel zu betrachten.

Die Zeiten haben sich geändert

Oder anders gefragt: Wie viel Legitimation bleibt der Bauwirtschaft eigentlich, wenn in die Bilanz energieeffizienter Baustoffe deren Ressourcenverschwendung bei Produktion, Handel und Entsorgung einberechnet wird.

Die Erkenntnisse sind aber nicht nur vernunftgesteuert.

Hanf erfährt zur Zeit eine größere mediale Aufmerksamkeit aufgrund der Legalisierungsdebatte von Marihuana. Um das klarzustellen: Nutzhanf hat keinerlei berauschende Wirkung. In gewisser Weise sind für Baustoffe sowieso nur die Abfallprodukte der Pflanze Hanf relevant (Diese These ist durchaus gewagt, ich glaube sie aber schon einmal gelesen zu haben und finde jetzt auf die Schnelle lediglich keinen Beleg. Ich würde mich freuen, wenn meine Leserschaft mir diese übermitteln würde. Gern über die bekannten Social Media Accounts.) Hanf als Pflanze rückt in jedem Fall stärker ins Bewusstsein.

Die vergangenen Monate haben die Preise für chemisch hergestellte Baustoffe um 17% steigen lassen. Naturbaustoffe sind hiervon in der Regel nicht betroffen (dito, bitte Belege). Es hat also eine Preisangleichung stattgefunden. Bezieht man den Fakt ein, dass chemisch hergestellte Baustoffe meist global produziert werden, stellt man fest, dass ein gewisser Teil dieser Preissteigerung im Transport begründet ist. Naturbaustoffe sind regional.

Zusammenfassung meiner Erkenntnisse

Naturbaustoffe im Allgemeinen und Hanf als Baustoff im Speziellen verdient mehr Aufmerksamkeit.

Alleine die Tatsache, dass wir im ersten Bauabschnitt keine Hanfprodukte verbaut haben, ist für mich Antrieb genug, um tiefer in das Thema einzusteigen. Auch in der Hoffnung, bei allen folgenden Bauabschnitten so nachhaltig wie nur irgendmöglich zu bauen.

Wie gesagt: Man trägt eine Verantwortung. Auch und v.a. seinen Kindern gegenüber.

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